Was die Doshas wirklich sind
Wenn wir uns mit Ayurveda befassen, kommen wir an den drei Doshas – Vata, Pitta und Kapha gar nicht vorbei. Viele kennen sie aus Typentests oder sehen darin eine Art Persönlichkeitskategorie.
Doch die Doshas sind viel mehr als das: Es sind keine Schubladen, in die wir uns einordnen, sondern Kräfte. Bewegungen. Prinzipien, die den Rhythmus des Lebens erklären. Klingt abgefahren – ist es auch.
Wenn wir es einmal verinnerlicht haben, wie sie funktionieren, zeigen die Doshas uns, warum manche Tage leicht fließen und andere eher zäh sind. Warum wir im Herbst empfindlicher werden, am Morgen eher träge sind oder warum bei Frauen jede Phase des Zyklus eine eigene Sprache spricht. Sie machen sichtbar, wie Natur in uns wirkt – und wie wir auf sie reagieren.
Ayurveda sagt: Wie im Außen, so im Innen – und die Doshas sind die Brücke dazwischen.
Vata, Pitta, Kapha – drei Bewegungen des Lebens
Die drei Doshas entstehen aus den fünf Elementen der Natur:
Vata aus Luft und Raum
Pitta aus Feuer und Wasser
Kapha aus Erde und Wasser
Doch sie sind nicht statisch. Sie wirken wie Strömungen in uns – mal stärker, mal leiser, mal klar und präsent, mal subtil im Hintergrund.
Vata ist die Energie der Bewegung. Sie zeigt sich im Nervenimpuls, in der Verdauungsbewegung, im Atem, aber auch in schnellen Gedanken, Inspiration oder innerer Unruhe. Vata ist der Wind im System – kreativ, sensibel und leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Eigenschaften: leicht, rau, kalt, beweglich, trocken, feinstofflich, klar.
Pitta ist das Feuer, das transformiert. Es reguliert die Verdauung, den Stoffwechsel, die Hormonumwandlungen, aber auch Fokus, Wille, Klarheit, innere Hitze. Wenn Pitta ausbalanciert ist, fühlen wir uns klar und durchsetzungsstark. Wird es zu viel, kippt es in Gereiztheit oder Perfektionismus.
Eigenschaften: heiß, scharf, leicht, flüssig, beweglich, spitz, ölig.
Kapha ist das, was hält: Struktur, Stabilität, Gewebe, Immunsystem, Geduld, Ruhe, Zartheit. Kapha ist das Nährende. Es schenkt Erdung – kann aber auch zu Schwere führen, wenn es zu dominant wird.
Eigenschaften: schwer, langsam, kalt, schleimig / ölig, dicht, hart, grobstofflich.
In jedem Menschen wirken alle drei Doshas. Ihre Gewichtung prägt, wie wir uns fühlen, reagieren, denken und regenerieren.
Warum die Doshas so wichtig sind
Wenn wir verstehen, wie die Doshas funktionieren, verstehen wir uns auch selbst besser. Plötzlich ergibt Sinn, warum wir morgens mehr Ruhe brauchen als abends. Warum wir im Winter empfindlicher auf Stress reagieren. Warum PMS in manchen Monaten stärker auftritt. Warum Ernährung nicht für jeden gleich wirkt.
Die Doshas zeigen uns: Welche Kraft führt gerade? Welche braucht Unterstützung? Was fordert mein Körper – und was verlangt meine Lebensphase?
Es geht nie darum, „ein Dosha zu sein“. Es geht darum zu spüren, welches Dosha gerade spricht.
Der Tagesrhythmus – Doshas im Kleinen
Wenn du deinen Tag beobachtest, erkennst du die Doshas bereits:
Der frühe Morgen trägt die ruhige, schwere Qualität des Kapha. Es ist die Zeit des sanften Übergangs vom Schlaf in den Tag. Gegen späten Vormittag steigt das Pitta – wir denken klarer, arbeiten fokussierter, unsere Verdauung ist am stärksten. (Daher auch hier die größte Mahlzeit, da es am besten verwertet werden kann.) Am Nachmittag wird Vata aktiver: Ideen, Beweglichkeit, aber auch Sensibilität nehmen zu. Am Abend kehrt Kapha zurück und lädt uns ein, langsamer zu werden. Dann folgt die Pitta-Zeit der Nacht, in der der Körper entgiftet und regeneriert. Und kurz vor Sonnenaufgang übernimmt erneut Vata – eine Phase, die sich besonders gut für Meditation, Journaling oder sanfte Bewegung eignet.
Der Tag ist ein Miniaturzyklus – und die Doshas sind seine Taktgeber.
Jahreszeiten – Doshas im Großen
Die Jahreszeiten spiegeln dieselbe Dynamik, nur auf größerer Bühne.
Frühling ist Kapha-Zeit: schwerer, feuchter, weicher. Viele Menschen fühlen sich müder, träger oder verschleimter – der Körper löst Winterlasten. Der Begriff „Frühjahrsmüdigkeit“ kommt sicher auch jedem bekannt vor.
Sommer ist Pitta pur: Hitze, Feuer, Aktivität. Hier zeigen sich allerdings auch Entzündungen, Gereiztheit oder Hautthemen häufig stärker.
Herbst und frühe Winter gehören dem Vata: trocken, kalt, beweglich. Viele spüren mehr Gedankenflut, trockene Haut, unruhigen Schlaf oder ein erhöhtes Stresslevel.
Wenn wir also verstehen, welche Jahreszeit welches Dosha verstärkt, verstehen wir intuitiv, was unser Körper gerade braucht.
Lebensphasen – der größte Zyklus
Auch unser Leben folgt den Doshas:
Während die Kindheit die Kapha-Zeit ist, mit Aufbau, Wachstum und Stabilität, sind die „jungen erwachsenen“ Jahre geprägt von Pitta: Energie, Umsetzung, Leistung, hormonelle Balance.
Im Leben der Frau markiert die Menopause den Übergang zurück in das Vata: Veränderung, Sensibilität, innere Weisheit. Und das Alter selbst ist reine Vata-Qualität: feiner, trockener, leichter – eine Phase der Reife.
Diese Sicht erklärt, warum jede Lebensphase ihre eigenen Herausforderungen und ihre eigene Schönheit hat.
Der weibliche Zyklus – ein monatliches Dosha-Spiel
Der weibliche Zyklus ist einer der deutlichsten Ausdrucksformen der Doshas im Körper.
Die Menstruation trägt die Qualität des Vata: Loslassen, Innenschau, Ruhebedürfnis.
Die Follikelphase ist Kapha: Aufbau, Stabilisierung, Energieaufbau.
Die Ovulation ist Pitta: Wärme, Strahlkraft, Begeisterung, Präsenz.
Die Lutealphase wechselt von Pitta zu Vata: Transformation, Sensibilität, Bedürfnis nach Rückzug.
Auch hier: wenn wir verstehen welches Dosha in welcher Phase vorherrscht, können wir erkennen, warum bspw. PMS oft ein Zusammenspiel von erhöhter Pitta-Hitze und Vata-Unruhe ist. Und warum die Tage vor der Mens so viel Struktur und Wärme brauchen.
Doshas im Körper – ihre stille Intelligenz
Natürlich hat auch im Körper jedes Dosha seinen Anteil und steuert bestimmte Funktionen. Und auch die machen wieder Sinn, wenn man sich wieder die Eigenschaften der Doshas anschaut und aus welchen Elementen sie sich bilden:
Vata ist für Bewegung zuständig (z.B. Nerven, Darm, Atmung)
Pitta für die Transformation (Verdauung, Stoffwechsel, Hormone)
Kapha gibt die Struktur (Gewebe, Immunsystem, Flüssigkeiten)
Wenn eines aus der Balance gerät, ist das symptomatisch:
Trockenheit, Nervosität, Schlafprobleme → Vata.
Hitze, Gereiztheit, Entzündungen → Pitta.
Schwere, Müdigkeit, Wassereinlagerungen → Kapha.
Oft ist es der erste Hinweis, dass etwas Aufmerksamkeit braucht – keine große Intervention, eher einen kleinen Richtungswechsel im Alltag. Und wie können wir das machen? Indem wir genau dieses Dosha, das etwas aus der Balance gekommen ist, versuchen auszugleichen.
Warum dieses Wissen so wertvoll ist? Weil es uns erlaubt, uns wieder im Einklang zu erleben – statt gegen uns selbst. Du musst Ayurveda nicht studieren, nur beginnen zu beobachten:
Wie verändert sich dein Körper mit der Jahreszeit?
Welche Tageszeit liegt dir am meisten?
Wann fühlst du dich klar, wann empfindlich?
Welche Zyklusphase ist leicht – und welche fordert dich?
Die Doshas machen sichtbar, welche Energie gerade führt. Und welche dich wieder zurück in Balance bringt. Ayurveda wird dann nicht kompliziert, sondern unglaublich logisch.
