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Halo-Effekt: Warum wir auch mal hinter die schöne Fassade schauen sollten

 

Wenn wir einen Menschen kennenlernen – sei es einen neuen Kollegen, den neuen Partner der besten Freundin oder ein erstes Date - können wir da eigentlich objektiv sein und den Menschen als „Ganzes“ wahrnehmen?  

Leider nicht wirklich, denn der erste Eindruck – und das ist meist schlichtweg das Erscheinen, das Auftreten, das Aussehen, die Attraktivität - beeinflusst unsere Wahrnehmung mehr als wir uns bewusst sind.  

Sicher kennst du das auch von dir selbst: ist jemand attraktiv, sprechen wir ihm oft auch besonders gute Eigenschaften zu. Wir schließen vom Aussehen auf den Intellekt oder projizieren auf die Person bestimmte Merkmale, die sie aber eigentlich gar nicht hat. Das ist der Automatismus des ersten Eindrucks und unsere Gewohnheit, in Schubladen zu denken, die uns alles andere ignorieren lässt und alles überstrahlt. Oftmals sind wir dann enttäuscht, wenn wir etwas später genauer hinsehen und feststellen, dass eben diese guten Eigenschaften (die wir in der Person gesehen haben – oder sehen wollten?) gar nicht wirklich vorhanden sind. Und wenn wir alle mal ganz ehrlich sind, dann fallen uns selbst sicher direkt mehr als eine Handvoll Beispiele ein, in denen wir einen attraktiven Menschen „irgendwie im Nachhinein dann doch als nicht ganz so sympathisch, offen, witzig etc.“ fanden ;-) 

Dafür muss sich auch niemand schämen, denn wir ticken alle so  Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: es wird als "Halo-Effekt" bezeichnet und stammt aus der Sozialpsychologie.

 

Doch was ist das genau und wie funktioniert dieser Halo-Effekt?

 

Was ist überhaupt der „Halo-Effekt“?

1907 von Frederic L. Wells beobachtet, bekam der Halo-Effekt später dann von dem amerikanischen Verhaltensforscher Edward Lee Thorndike seinen Namen. Er hatte nach dem ersten Weltkrieg Offiziere Soldaten beurteilen lassen und dabei eine besondere Entdeckung gemacht.

Die Offiziere sollten die Soldaten nach Charakter, Intelligenz, Führungsqualität, Kondition, zielgenaues Schießen, physische Leistungsfähigkeit etc. beurteilen. Die meisten Soldaten wurden entweder in allen Punkten sehr gut oder aber komplett miserabel bewertet. Einem gutaussehenden Soldaten trauten die Offiziere mehr Führungskompetenz und zielgenaueres Schießen zu als einem aus ihrer Sicht weniger attraktiven.

Daher kam er zu dem Schluss:

Wenn ein positives Persönlichkeitsmerkmal (wie Attraktivität oder Humor) besonders präsent ist, überstrahlt es alle anderen Stärken (und auch Schwächen) und verzerrt die Wirklichkeit. Von einer objektiven Beurteilung kann damit in keiner Weise gesprochen werden, denn die Wahrnehmung ist komplett fehlerhaft.

 

„Halo“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Heiligenschein“. Es kann damit auch als „Heiligenschein-Effekt“ bezeichnet werden – da es alles andere einfach überstrahlt.

Das Gemeine an dem Halo-Effekt ist, dass wir ihn so gut wie nicht abstellen können. Auch wenn wir rational verstehen, dass uns unser Gehirn gerade einen Streich spielt – unser Urteilsvermögen wird dennoch immer wieder getrübt werden. Die rosarote Brille wird leider immer wieder am Start sein, ob wir das wollen oder auch nicht.

 

Schöne Menschen sind einfach toll – so die Wahrnehmung

Im Prinzip kann natürlich jede positive Eigenschaft am Anderen den „Halo-Effekt“ aktivieren, jedoch wirkt er am Stärksten bei der physischen Attraktivität. Schöne Menschen werden automatisch als kompetenter, intelligenter, sympathischer, zufriedener, erfolgreicher eingeschätzt bzw. schreiben wir ihnen ebenso besondere Eigenschaften zu, die sie objektiv jedoch eigentlich gar nicht haben (Hallo Instagram-Scheinwelt:-)).

Warum haben wirklich gut aussehende Menschen sonst so viele "Freunde" oder solche, die es unbedingt sein wollen?

Schönheit ist nur ein Beispiel von den unzähligen kleinen Streichen, die uns unser Gehirn hier spielt. Weitere Klassiker sind zum Beispiel „Brillenträger sind klug“, „Mollige sind lustig“ und „Kleine Menschen müssen vorlaut sein um sich zu beweisen“. Wir lassen uns immer wieder durch Oberflächlichkeiten blenden.  

 

Der Halo Effekt kann auch negativ wirken

Es gibt wie immer im Leben auch hier einen umgekehrten Fall. Dann, wenn ein einziges, nicht ganz so optimales Merkmal ausreicht, um eine Person als Ganzes negativ zu beurteilen. Dieses eine Merkmal überstrahlt (wie der Halo-Effekt) alles - diesmal im Negativen.

Man spricht hier vom „Horn-Effekt“ oder auch „Teufelshörner-Effekt“.  

Sei es ein negativ besetzter Name (beliebtes Beispiel Kevin), ein eher „nicht angemessenes“ Auftreten (wir erinnern uns an Julia Roberts in Pretty Woman, als sie nicht bedient wird in der Boutique aufgrund ihres Outfits), die soziale Herkunft, Tattoos, die bei vielen Menschen noch als kriminelle Vergangenheit abgespeichert sind (Gott sei Dank heute eher als Ausdruck von Einstellungen oder Statement gesehen) oder fehlerhafte Rechtschreibung, die die Person als inkompetent da stehen lassen...das alles sind Beispiele wie wir in Schubladen denken.

Verstärkt werden diese Stereotype zudem auch durch Medien, die uns immer wieder sagen: schön = gut. Aber auch in Geschichten, Märchen und Erzählungen sind die Protagonisten immer schön. Oder hast du schon mal irgendwo in einem Märchen eine nicht ganz so attraktive Prinzessin oder einen pummeligen Prinzen gesehen? (Ich frage mich auch immer, in welchem realen Krankenhaus so viele unfassbar attraktive Ärzt*Innen arbeiten wie bei Greys Anatomy:-))

 

Warum machen wir das?

Ganz einfach: um unser Gehirn zu entlasten. In jeder Sekunde erfasst unser schlaues Oberstübchen eine unfassbare Menge an Reizen und Informationen und filtert diese. Vieles geschieht damit (zur Entlastung) unbewusst, denn würden wir alles wirklich bewusst wahrnehmen, würden wir nach nicht allzu langer Zeit durchdrehen. Hallo Burnout.

Damit das nicht geschieht und wir noch Kappa für wirklich wichtige Dinge im Leben haben, trennt unser Gehirn Wichtiges von Unwichtigem. Dazu holt es sich Stereoptype, Klischees, Schemata und Denkmuster zu Hilfe, denn diese vereinfachen die Verarbeitung der Informationen. Das Ergebnis ist Schubladendenken.

 

Das Problem: wir sehen die Menschen und Situationen eben nicht wie sie sind, sondern wie sie uns unser Gehirn vorgaukelt. Wie sie in unserer Vorstellung vielleicht auch sein sollen und wir sie uns wünschen. Durch bereits gemachte Erfahrungen, Beobachtungen, Interpretationen und Vorurteile packen wir alles in unsere geliebten Schubladen. Und schwupps, ist die Wirklichkeit verzerrt. Kannst du dagegen etwas tun? Schubladendenken vermeiden?

In einem Artikel vor einiger Zeit hatte ich zum Thema Schubladendenken ein paar Ansätze, die es vielleicht wert sind, nochmal gelesen zu werden .

 

Mal genauer hinschauen

„Egal wie schön ein Mensch ist – du musst seine Wahrheit daten.“

Dieses Zitat von Mandy Hale bezieht sich natürlich in erster Linie auf romantische Aufeinandertreffen. Es passt jedoch trotzdem zu allen Bereichen im Leben. Wir sollten versuchen den Menschen zu sehen, der dahintersteckt. Objektiv mal aus der Vogelperspektive schauen: Was macht ihn aus? Welche Werte, Wünsche, Einstellungen hat er? Welche Eigenschaften und objektive Fähigkeiten sind wirklich da und zeichnen ihn aus?

Je weniger wir uns blenden lassen von der Fassade und stattdessen einen Blick hinter die Kulissen werfen, desto klarer wird auch der Blick auf den Menschen. Mir geht es bspw. oft genau umgekehrt: je sympathischer ich einen Menschen mit der Zeit finde, desto schöner und attraktiver wird er in meinen Augen.

Und im Berufsleben kann so sicher auch die ein oder andere Fehlentscheidung vermieden werden. Indem Personen aufgrund ihrer realen Fähigkeiten befördert werden und nicht, weil man ihnen aufgrund eines Merkmals diese zuschreibt.       

 

 

 

 

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