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Einsamkeit: sie gehört dazu – muss aber nicht bleiben

 

Die vergangenen Monate (und sicher auch die kommenden) sind für Viele von uns durchaus eine Herausforderung. Die Pandemie hinterlässt in jedem von uns ihre Spuren und durch die anhaltenden Kontaktbeschränkungen (und mancherorts nächtlichen Ausgangsperren) beschleicht immer mehr Menschen das Gefühl der Einsamkeit. Zwar fühlte sich schon vor Corona jeder Zehnte in Deutschland dauerhaft einsam, doch diese Zahl wird vermutlich in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen sein – und wird es noch weiter.  

 

Dass dieses Thema – auch ohne Corona – ein wichtiges ist, ist jedem klar. Jeder kennt das Gefühl der Einsamkeit. Nach einer Trennung, nach einem Umzug in eine neue Stadt, wenn wir alleine im Restaurant beim Mittagessen sitzen, da niemand Zeit hat: obwohl wir immer vernetzter leben, wir durch Social Media und Messenger-Dienste so viel und schnell Kontakt zu den Lieben halten können, fühlen sich immer mehr Menschen häufig oder sogar ständig einsam.

Aber was bedeutet Einsamkeit? Und kann man vielleicht sogar gegen dieses Gefühl etwas tun?  

 

Was Einsamkeit bedeutet

Zunächst ist es wichtig, zwischen Alleinsein und Einsamkeit zu unterscheiden, denn beides hat im engeren Sinne nichts miteinander zu tun. Beim Alleinsein wird die Situation selbst gewählt oder gar gesucht. Wir entscheiden uns aktiv und aus freien Stücken dafür alleine zu sein oder etwas alleine zu tun. Dies wird oft auch als positiv und als befreiend empfunden.

Einsamkeit hingegen ist unfreiwillig. Sie wird von außen auferlegt durch einen (oft gefühlten) Ausschluss aus einer Gemeinschaft. Sie kann vollkommen unabhängig davon sein, ob wir in Gesellschaft sind oder alleine. Wir können inmitten unserer kompletten Freundesschar sitzen und uns dennoch einsam fühlen. Es hat nichts damit zu tun, dass wir physisch alleine sind. Fühlen wir uns in dieser Situation einsam, fehlen nicht die Menschen, sondern das Gefühl, von ihnen beachtet und gebraucht zu werden. Und das weist auf eine tiefe Unzufriedenheit zu unseren bestehenden Beziehungen hin. Sei es zu uns selbst oder zu unseren Mitmenschen.

 

Das Gefühl der Einsamkeit hat jedoch durchaus seine Berechtigung, denn es möchte uns beschützen. Es ist ein Warnsignal des Körpers, das - ähnlich wie Hunger oder Durst – auf ein Bedürfnis aufmerksam macht.

Soziale Kontakte sind Bedürfnisse, die zu Urzeiten wichtig fürs Überleben waren. Damals lebten wir in Gruppen, denn nur in der Gemeinschaft war es möglich sich zu schützen oder genug zu essen zu bekommen. Wurde jemand ausgestoßen, war das das Schlimmste für den Einzelnen, denn dies bedeutete im wahrsten Sinne des Wortes den Tod. Daher erfand der Körper sozusagen den sozialen Schmerz als kleinen Triggerpunkt, um uns von egoistischen und damit auch isolierenden Handlungen abzuhalten.    

 

Interessant ist auch: Einsamkeit und physischer Schmerz aktivieren in unserem Gehirn dieselben Bereiche, denn beides sind wie gesagt Schutzfunktionen, die uns sagen wollen:  „Achtung, du begibst dich in Gefahr (wenn du alleine bist)!“  

Das Gefühl an sich ist damit vollkommen normal und sogar sinnvoll. Wir werden aufmerksam darauf, was uns fehlt und sollten damit versuchen, uns aus der Situation zu befreien – denn chronische Einsamkeit kann schlimme Folgen haben.  

 

Einsamkeit macht auf Dauer krank

Dass Einsamkeit zu Stress führt, zu Angststörungen und Depressionen ist selbstredend. Der Neurowissenschaftler John Cacioppo hatte zudem 2010 in zahlreichen Untersuchungen herausgefunden, dass Menschen, die keine stabilen Beziehungen zu anderen haben im Schnitt früher sterben als andere. Das Immunsystem ist anfälliger und einsame Menschen leiden häufig unter Infektionen, Entzündungen, Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Problemen. Und damit ist Einsamkeit durchaus ein ernst zu nehmendes, gesundheitliches Thema.

Wie im letzten Blogartikel angerissen, tun sich introvertierte Menschen zwar leichter mit dem Alleinsein und brauchen das sogar bzw. suchen es für sich, dennoch sind sie eher anfällig für das Gefühl der Einsamkeit als Extrovertierte. Denn es fällt ihnen schwerer, sich von sich aus anderen mitzuteilen, wenn sie etwas bedrückt.  

 

Das Gefühl der Einsamkeit muss nicht bleiben

Das Gefühl der Isolation führt zu Traurigkeit und Anspannung. Leider trübt dies direkt auch die Wahrnehmung, weshalb Betroffene sich auf Negatives fokussieren und sich mehr und mehr zurückziehen. Ein Teufelskreis beginnt. Die gute Nachricht aber ist: wer diesen Teufelskreis erkennt, kann sich aktiv dagegen wehren.

Was du tun kannst, wenn dich das Gefühl der Einsamkeit einnimmt:  

 

  • Akzeptanz

Das Gefühl der Einsamkeit ist da und total ok. Jeder fühlt sich ab und zu einsam. Manche etwas häufiger als andere, aber niemand ist davor gefeit. Sich das Gefühl bewusst machen und annehmen ist der wichtigste Schritt, denn es nimmt die Last von den Schultern. Und: wir sitzen alle in einem Boot. Du bist nicht allein. Und schon dieses Wissen spendet enormen Trost, oder?

  • Ursachen finden

Was bedrückt Dich? Meidest Du Kontakte? Was trägst Du selbst gerade dazu bei, dass du dich einsam fühlst? Isolierst du dich selbst? Erwartest du von anderen, dass sie sich bei dir melden? Bist du mit Menschen zusammen, die dir nicht guttun? Mit denen du dich nicht wohlfühlst? Oder willst du vielleicht schlichtweg nicht mit dir alleine sein? Warum?

  • Kontakte halten und Freundschaften pflegen

In unserer vernetzten Welt war es nie einfacher Kontakte zu Freunden und Familie zu halten. Und das hat Corona uns ja gezeigt: über Zoom mit den Liebsten eine Spielerunde einberufen, gemeinsam ein Glas Wein trinken – das geht auch alles über die Entfernung. Und selbst wer nicht gerne mit Webcam am Start ist – dem bleibt noch das klassische Telefonieren.  Wichtig ist, dass du nicht wartest, bis jemand aktiv wird – sondern du selbst den Stein ins Rollen bringst.

  • Mut, etwas Neues zu beginnen

Nur weil deine Freunde keine Zeit haben, heißt das nicht, dass du nicht aktiv was tun kannst. Warum nicht ein neues Hobby ausprobieren? Was wolltest Du schon immer lernen? Melde dich dazu an – das sind ja meist Gruppen von Mehreren. Das geht online auch genauso gut wie offline. Hier lernt man oft tolle neue Menschen kennen, denn gemeinsame Interessen verbinden.

  • Anderen helfen

Sicher gibt es Menschen in deinem Umfeld, denen es genauso geht. Oder die vielleicht noch schlechter damit umgehen können als du. Ruf sie einfach mal an und frag wie es ihnen geht. Aufmerksamkeit tut jedem gut – und dem Gebenden meist noch mehr

  • Einsamkeit in Alleinsein verwandeln

Mach dir bewusst, dass es viele Dinge gibt, die du alleine für dich viel besser machen kannst. Und genau das solltest du auch tun. Stell dich selbst in den Fokus. Gönne dir aktiv deine Me-Time: Meditiere, mache Yoga, lerne vielleicht ein neues Instrument oder eine Sprache. Es gibt so vieles, was du machen kannst ohne Begleitung.  Auch Reisen ist eine tolle Möglichkeit für dich selbst. Gerade Städtereisen sind für „Ungeübte“ super: Museen, Ausstellungen, eine Stadtrundfahrt – das alles ist auch total schön alleine möglich. Und manchmal einfach auch entspannter.

 

Wir können lernen, Dinge auch alleine zu tun. Es ist ok, wenn mal niemand Zeit hat. Dann gehen wir eben alleine ins Kino oder zum Essen. Niemanden interessiert es, dass wir alleine dort sind. Das sehen nur wir so in unserem Selbstmitleid. Wir nehmen uns selbst viel zu wichtig :-)

 

„You can be alone and still be happy. You can be alone and not be lonely!”  

 

Wir brauchen uns gegenseitig

Heute steht die Gemeinschaft nicht mehr an oberster Stelle, sondern jeder sorgt für sich selbst. Urbanisierung und auch häufiges Umziehen um einem Job hinterherzujagen führen dazu, dass wir immer wieder soziale Kontakte hinter uns lassen. Wir treffen immer weniger Menschen, da wir mit uns selbst und unserem Job beschäftigt sind. Wir leben zwar heute nicht mehr in der Steinzeit und haben uns eine tolle vernetzte Welt aufgebaut, die unser Leben so viel angenehmer macht als noch vor Jahrtausenden.

Dennoch sind die grundlegenden Bedürfnisse die gleichen geblieben.

Wir brauchen soziale Kontakte und die Gemeinschaft. Das hat uns die Pandemie gelehrt. Einsamkeit ist ein schreckliches Gefühl, aber einen großen Teil haben wir oft selbst in der Hand und können etwas dagegen tun.

Und das ist doch mal was echt Gutes, oder? ;-)  

 

 

 

Foto:  

Anthony Tran via Unsplash 

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