· 

Verbindlichkeit: Warum wir wieder verlässlich werden sollten

Das Jahr neigt sich dem Ende, Weihnachten steht vor der Tür und damit auch die Zeit mit der Familie. Es ist die Zeit der Mitmenschlichkeit. Daher sollen diese Zeilen diesmal eher ein kleiner Denkanstoß sein.

 

Egal mit wem ich mich unterhalte: wir alle beklagen uns, dass die Welt immer oberflächlicher wird. Dass die zwischenmenschlichen Beziehungen und auch der Umgang miteinander immer unverbindlicher werden. Wir verabreden uns häufiger „spontan“ und „flexibel“ und das Wort „vielleicht“ ist mehr denn je in unserem Wortschatz verankert. Ist ja auch super, denn so müssen wir uns nicht heute schon festlegen, wann, mit wem und wo wir uns in vier Wochen treffen wollen. Gerade zu Silvester ist es ja schon fast Tradition, dass man sich alle Optionen offenlässt. Dies birgt jedoch einige Gefahren für unser Sozialleben, wie ich finde.

 

Warum werden wir immer unverbindlicher?

Wir leben in einer Zeit in der alles immer schneller, toller, besser sein muss. Wir werden von Optionen, die uns geboten werden fast schon erschlagen. Warum sollten wir uns festlegen, wenn vielleicht an der nächsten Ecke bereits eine (vermeintlich) bessere Option wartet? Durch Digitalisierung und Globalisierung stehen uns alle Türen offen. Sei es in der Bereitstellung von Konsumgütern, Jobs, Reisen oder eben zwischenmenschliche Kontakte: Es gibt mehr Möglichkeiten, als wir überblicken können.  

 

Die digitale Welt erleichtert uns Einiges: wir sind in der Lage Kontakte einfach und schnell mit Freunden und Familie zu knüpfen und zu halten. Das ist durchaus eine positive Sache. So sind wir heute viel besser in der Lage, unsere Lieben an unserem Leben teilhaben zu lassen. Aber wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Durch Unmengen an Messenger Apps und Dating Apps, wird es uns sehr einfach gemacht, einer Person kurzfristig das Abendessen abzusagen oder auch dem Date einfach auch nicht mehr zu antworten – denn es hat sich doch eventuell etwas Besseres aufgetan.

In vergangenen Zeiten war dies anders: Treffen wurden am Telefon vereinbart – denn es gab ja keine Messenger.

Und es hat immer geklappt, oder? Wir verabredeten uns für 15Uhr zum Kaffee und waren pünktlich dort. Es wäre uns unangenehm gewesen wäre, die Verabredung einfach zu versetzen.

In Sachen Dating war es ähnlich: wir lernten jemanden kennen, haben diesen Menschen getroffen und gemerkt, das könnte was werden. Es wurde (eher selten) nach weiteren Alternativen Ausschau gehalten. Wäre ja auch viel zu offensichtlich und vor allem auch zeitaufwändig gewesen. Heute wird gedatet, man mag sich, und trotzdem wird noch weiter nach links und rechts gewischt. Man weiss ja nie: vielleicht kommt doch noch die größere Liebe des Lebens ums Eck. Es fehlt ein Commitment.

Diese fehlende Verbindlichkeit hält immer mehr Einzug in sämtliche Lebensbereiche und es wird zunehmend schwieriger, sich mit Menschen zu verabreden. Zum einen hat tatsächlich jeder einen vollbepackten Kalender (auch ein unglaubliches Phänomen, aber dazu vielleicht ein andermal), zum anderen jedoch verabreden wir uns heute sehr oft einfach „lose“. Ja lass uns am Sonntag zum Kaffee treffen. Wir schreiben dann nochmal wo und wann genau. Und oft kommt es nicht zustande, denn es ist was dazwischengekommen bzw. es war ja eh nicht so fix ausgemacht. Also auch nicht so schlimm.

 

Dieser Trend zur Flexibilität und Spontanität passt natürlich oft in unser Leben und macht es durchaus auch oft leichter. Dennoch werden dadurch Beziehungen – seien es Freundschaften, kollegiale Beziehungen oder auch Partnerschaften unzuverlässiger und damit auch unsicherer.

 

Mehr Verlässlichkeit stärkt die Beziehungen – auch zu uns selbst

Verbindlichkeit hat meiner Meinung immer etwas mit Wertschätzung und Respekt der anderen Person gegenüber zu tun. Zu ihr stehen. Da zu sein, wenn sie uns braucht. Auf Menschen, die verbindlich sind, kann man sich verlassen. Die sind für uns da – komme was wolle. Wir zeigen, dass uns Andere wichtig sind. Je unverbindlicher (und damit unzuverlässiger) wir werden, desto weniger vertrauen uns unsere Mitmenschen. Wollen wir das? Wollen wir nicht alle zwischenmenschliche Beziehungen haben, die voller Sicherheit und Loyalität sind?

 

Auf den ersten Blick mag Verbindlichkeit spießig sein und wir schränken damit unsere Freiheiten ein. Wenn wir jedoch genauer hinschauen, merken wir schnell, dass sie uns Vertrautheit, Sicherheit und damit auch Fokus gibt. Wenn wir zu einer Sache stehen – sei es zu einer Entscheidung oder einer Beziehung oder whatever, gibt uns das die Chance, echte und starke Beziehungen zu Anderen zu knüpfen.

 

Wie bringen wir wieder mehr Verbindlichkeit in unser Leben?  

Ein erster Schritt könnte sein, einfach ein paar „vielleicht“ aus unserem Leben zu streichen und in ein „Ja“ (oder natürlich auch ein „Nein“) umzuwandeln. Verbindlichkeit bedeutet nämlich auch: ich entscheide mich klar für oder gegen etwas und dazu stehe ich auch.

Ein weiterer Ansatz könnte auch sein, unsere Freundschaften zu hinterfragen. Den Menschen, die uns wichtig sind – und das kann auch nur eine Handvoll sein – räumen wir oberste Priorität ein. Hier ist es uns wichtig, sie zu treffen. Das sind die echten Beziehungen, die uns stärken und uns Sicherheit geben.

Wir können uns nicht mit allen unseren Freunden und Bekanntschaften treffen, welche auch durch die sozialen Medien immer mehr werden. Daher: Qualität statt Quantität.

 

Und während ich das so schreibe, merke ich, dass ich selbst auch überhaupt nicht mehr verbindlich bin. Ein guter Vorsatz für das kommende Jahr: Kein „vielleicht“ mehr. Ich möchte zu meinen Zusagen stehen. Ich überlege mir, mit wem und wann ich mich treffen möchte – und halte mich daran. Sicher kann immer mal was dazwischenkommen. Aber ich will wieder zu einem zuverlässigen Menschen werden. Auf den man zählen kann.  

 

 

 

Die Geschichte zum Bild

Liebesschlösser, wie hier in Köln auf der Hohenzollernbrücke sind für mich ein Sinnbild für Verbindlichkeit. Zumindest beim Befestigen sind sich die Liebenden einig: wir stehen zueinander. Wie ein Heiratsversprechen. Gibt es was Schöneres, als aus tiefstem Herzen „Ja“ zu sagen?  

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    eismalerin (Sonntag, 06 März 2022 12:11)

    Sich verbinden hat meiner Meinung etwas damit zu tun, sich einzulassen.
    Das können andere Menschen sein, aber auch Tätigkeiten, Tiere, Gedanken.... und mit zunehmender Verbindlickeit nimmt die Tiefe und die Qualität des sich Einlassens zu. Man dringt sozusagen in andere Dimensionen vor.
    Das wiederum kann aber auch Ängste hervorrufen, Fluchtgedanken bzw reaktionen... deshalb bleiben viele lieber unverbindlich, oberflächlich und bei einem "vielleicht". Schade!!

  • #2

    tischa22@gmx.de (Montag, 09 Januar 2023 11:48)

    Hallo Sandra,

    „ Ja lass uns am Sonntag zum Kaffee treffen. Wir schreiben dann nochmal wo und wann genau“

    Genau das kenne ich, von Freunden, aber auch von mir selbst. Mich macht es eigentlich immer traurig, wenn ich damit konfrontiert werde und erzeugt wenig Wetsvhätzung. Es sollte mir auch klar sein das ich anderen Menschen nicht den nötigen Respekt zolle, der mir selbst aber auch wichtug ist, gensu wie Wertschätzung.
    Mir geht es in diesem Moment garnicht darum auf was „ Besseres“ zu hoffen, sondern mich festzulegen zu müssen erzeugt in in mir festgenagelt“ zu werden. Es treibt mich in die Ecke, was völlig unsinnig ist, geht es doch um ein Treffen, was schöne Gefühle u Freude hervorrufen sollte.
    Auch ich werde mit Beispiel vorangehen und mir mehr Verbindlichkeit als ein Ziel für 2023 vornehmen.
    Danke, Du hast mich mit diesem Blog inspiriert auf etwss aufmerksam gemacht, das ich auch schätze „Verbindlichkeit“.

    Lg Tischa