Uns allen geht es doch meist so, dass wir Veränderungen in unserem Leben nur ungern entgegengehen. Aus Angst und Unsicherheit sträuben wir uns oft vor Neuerungen und lassen alles wie es ist. Aber lassen wir dadurch nicht manchmal aber auch Chancen an uns vorbeiziehen?
Ich möchte diesmal auf einer Geschichte aufsetzen, die ich in dem wunderbaren Buch „Komm, ich erzähl Dir eine Geschichte“ entdeckt habe (hier etwas
gekürzt). Dieses Buch ist für mich eine solche Bereicherung geworden und ich könnte die Kurzgeschichten noch 100mal lesen. Durch Geschichten werden
Sachverhalte nämlich für uns schneller erfassbar und wir können sie wesentlich besser in unser Leben übertragen. Ihr werdet an dieser Stelle daher noch des Öfteren eine Geschichte zum
Einstieg lesen :-)
Der Portier des Freudenhauses
Es war einmal ein Mann, der arbeitete als Portier im Freudenhaus - so wie sein Vater und dessen Vater zuvor.
Eines Tages kam der Besitzer des Freudenhauses zu ihm und meinte, er solle von nun an Statistik führen, um die Geschäfte besser auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen. Dafür gab er ihm ein Buch und einen Bleistift. Überrascht erwiderte der Portier, dass das leider nicht ginge, denn er könne weder lesen noch schreiben. „Schade“, erwiderte der Besitzer, „so muss ich Ihnen leider kündigen“. Der Portier war zutiefst geschockt und jegliche Einwände halfen nicht. Frustriert nahm er eine kleine Abfindung und räumte seinen Platz.
Er wusste zunächst nicht, wovon er in Zukunft leben sollte, bis ihm eine Idee kam:
Gelegentlich hatte er im Freudenhaus Stühle und Tische repariert, denn er besaß eine handwerkliche Begabung. Also beschloss er, sich für die Abfindung einen Werkzeugkasten zu kaufen, um sich mit Aushilfsarbeiten über Wasser zu halten. Um den Werkzeugkasten zu kaufen, reiste er in das zwei Tagesmärsche entfernte Nachbardorf.
Wieder zuhause klopfte es an seiner Haustür. Der Nachbar stand vor ihm und fragte, ob er ihm einen Hammer borgen könnte. Der ehemalige Portier antwortete, er hätte zwar einen, doch den würde er nur sehr ungern verleihen. Der Nachbar bot ihm daraufhin ein Geschäft an. Er würde ihm den Hammer abkaufen, denn Zeit, selbst ins andere Dorf zu reisen, hatte er als arbeitender Mensch nicht. Dafür würde er dem Portier aber nicht nur den Hammer, sondern auch einen Ausgleich für dessen Zeitaufwand zahlen. Der Portier ging auf den Handel ein, denn als Arbeitsloser hatte er ja in der Tat genügend Zeit.
Am folgenden Tag klopfte es erneut an der Tür. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass er einen gut sortierten Werkzeugkasten hatte. Ein anderer Nachbar bat ihn um eine Zange. Wieder kam es zum Geschäft. Der Portier begab sich in den nächsten Tagen auf seine zweite Reise. Da es scheinbar eine Nachfrage nach Werkzeug in seinem Dorf gab, investierte er den Rest seiner Abfindung und das erworbene Geld, um mehr Werkzeug zu kaufen, als er selbst benötigte.
Und seine Rechnung ging auf. Im Dorf war schnell bekannt, dass der Portier über gutes Werkzeug verfügte. So kamen immer mehr Menschen zu ihm, um ohne großen Zeitaufwand Eisenwaren zu kaufen. Erst reiste er einmal pro Woche für Nachschub, doch rasch wurde ihm klar, dass es rentabler wäre, einen Vorrat vor Ort bereit zu halten.
Das Interesse an seinen Eisenwaren war so groß, dass er sich einen kleinen Laden mietete, den er schon bald um einen Lagerraum erweiterte. Die Reisen ins Nachbardorf konnte er aufgeben, denn im gelang eine Verabredung für die Anlieferung seiner Waren. Immer mehr Kunden fanden den Weg in sein Geschäft.
Eines Tages saß er mit seinem Freund dem Schmied zusammen, da hatte er die Idee, die Eisenwaren selbst anzufertigen. Aus der Zusammenarbeit erwuchs die eigene Eisenwarenproduktion. Von Jahr zu Jahr steigerte sich das Volumen. So kam es, dass der Portier zum mächtigsten Eisenwarenproduzenten der Region aufstieg.
Mit dem Erfolg wuchs auch sein Wunsch, den Menschen, die zu seinem Wohlstand beitrugen, etwas Gutes zu tun. Er engagierte sich für die Armen und Kranken und investierte einen Teil des Gewinnes in soziale Projekte. Unter anderem gründete er eine Schule für die Kinder der ärmsten Familien. Die feierliche Eröffnung der Schule sorgte für großes Aufsehen. Presse und Fernsehen waren ebenso anwesend wie die wichtigsten Würdenträger des Dorfes.
Der Bürgermeister hielt die Dankesrede auf den Wohltäter und bat ihn sogleich zu einem Eintrag in das goldene Buch des Dorfes. „Sehr gerne würde ich dieser Bitte nachkommen“, erwiderte der Portier, „aber ich kann weder lesen noch schreiben.“ Der Bürgermeister war bestürzt: „Was? Ein Mann wie Sie kann nicht lesen und schreiben?“, rief er. „Sie haben ein Wirtschaftsimperium aus der Taufe gehoben. Sie gehören zu den angesehensten Persönlichkeiten unserer Zeit. Was hätte aus Ihnen werden können, hätten sie lesen und schreiben gekonnt?“ Die Antwort des Geehrten kam prompt: „Das kann ich Ihnen sagen: Portier im Freudenhaus.“
Na? Hat´s Klick gemacht? ;-)
(Un-) Erwünschte Neuerungen im Leben
Nun gibt es natürlich Veränderungen, die wir selbst vorantreiben, weil wir es auch so möchten. Sei es, einen anderen Job annehmen, sich vom Partner trennen, in eine andere Stadt ziehen...hier kommt auch das Thema Entscheidungen wieder zum Vorschein, was ich in meinem letzten Artikel unter der Lupe hatte. (--> könnt Ihr hier nochmal nachlesen)
In solchen Situationen sind wir etwas mehr „Herr der Lage“ und können uns auf das Neue und Unbekannte zumindest ein wenig vorbereiten. Daher fällt uns die Veränderung hier leichter und gehen ihr hier vielleicht sogar mit Freude entgegen.
Wir alle kennen aber auch Veränderungen, die alles andere als von uns gewünscht sind. Jobverlust, Trennung, Menschen gehen aus unserem Leben und so weiter. Kennen wir alle nur zu gut, denke ich. Wenn wir dies selbst nicht in der Hand oder gar gewollt haben, reisst uns das erst einmal in ein großes Loch. Wir sehen überhaupt kein Land mehr oder wie es irgendwie weitergehen soll.
Die gute Nachricht aber ist: Egal, welche Veränderung jeder von uns durchläuft – es ist eine Berg-und Talfahrt, die (man mag es kaum glauben) immer nach demselben Muster abläuft.
Die Phasen der Veränderung
Eine tolle Darstellung (hier etwas modifiziert)* ist die „Veränderungskurve“ nach der Psychologin Elisabeth Kübler-Ross*. Dort wird deutlich, welche Phasen wir bei einer Veränderung durchleben und welche Emotionen dabei im Spiel sind.
- Wir befinden uns in unserer Komfort-Zone und fühlen uns pudelwohl, so wie es ist. Doch dann (oh nein!) kündigt sich eine Veränderung an.
- Wir verfallen in Schock und Angst. Wir setzen uns mit dem Unbekannten auseinander, aber „Schaffe ich das?“ Uns fehlt die Vorstellung von der neuen Zukunft.
- Es folgt entweder Vorfreude oder Verleugnung. Wir sind entweder positiv oder negativ eingestimmt: Wir erwarten die Veränderung in freudiger Erregung: „Es ändert sich was!“, oder wir tun so, als wäre alles unverändert und verhalten uns wie bisher.
- Nun kommt die Furcht vor dem Neuen. Wir spüren erste Einflüsse der Veränderung „Was bedeutet das für mich?“ und fühlen dann die Bedrohung. Wir merken, dass die Veränderung doch stärkere Auswirkungen auf uns und auf andere hat. „Es ist ja schlimmer als gedacht.“
- Hier folgt die Ernüchterung: Wir haben das Gefühl, dass unsere Überzeugungen nicht mit der Veränderung vereinbar sind und entscheiden uns gegen sie. „Nicht mit mir!“ – quasi ein Boykott.
- Auch fühlen wir hier erstmals Ärger: haben wir die Veränderung nicht selbst zu verantworten, machen wir erst Andere und später uns selbst verantwortlich, weil wir die Veränderung zugelassen haben oder nichts getan haben um sie zu verhindern.
- Daraus resultiert oft Feindseligkeit: wir ignorieren durch die Veränderung herbeigeführten Neuerungen oder bekämpfen sie sogar. Dies mündet oft in Schuldzuweisungen.
- Was nun folgt, ist der emotionale Tiefpunkt – die völlige Niedergeschlagenheit oder auch das Tal der Tränen. Wir sind unmotiviert und verwirrt: wir wissen nicht mehr, wer wir sind und wie wir uns verhalten sollen. „Wie soll es bloß weitergehen?“
- Aber irgendwann kommt Licht am Horizont: die Akzeptanz. Wir beginnen, die neue Situation in unsere Welt zu integrieren. Wir probieren aus und überlegen, ob die Neuerung vielleicht doch was Gutes mit sich bringt.
- Am Ende steht der Fortschritt. Wir finden uns wieder zurecht und fühlen uns wohl. Die Neuerung ist komplett integriert und wir stellen nichts mehr in Frage. Wir sind zufrieden damit – und damit in einer neuen Komfort-Zone angekommen - bis zur nächsten Veränderung
Die Chance auf etwas Wunderbares
Das sind nun natürlich Phasen, die man mal mehr, mal weniger intensiv erlebt – je nach Grad der Veränderung.
Fakt ist jedoch: Es läuft immer so ab!
Der Portier war erst einmal geschockt über die Kündigung, war völlig verzweifelt, wie er nun seinen Lebensunterhalt bestreiten soll. Doch hat er es irgendwann akzeptiert und die Chancen der Veränderungen gesehen – und diese dann auch genutzt und gelebt. Ohne diesen Umbruch wäre er immer in seinem Mikro-Kosmos geblieben.
Ist das nicht eine tolle Aussicht? Mir hat das in so manch einer Veränderung sehr geholfen, denn ich wusste: es wird wieder bergauf gehen. Nach Regen kommt Sonnenschein. Auch wenn es erst mal windig ist und vielleicht auch kalt. Aber die Sonne kommt am Ende wieder zum Vorschein.
Wie es so schön heisst: Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. Also sollten wir mitgehen und sie immer als Chance sehen. Chance für Neues. Für Weiterentwicklung. Für vielleicht das Beste, was uns passieren konnte.
Daher wird es hier eine Fortsetzung geben zum Thema: Losgehen. Handeln. Die Veränderung aktiv selbst betreiben.
Geschichte zum Bild:
Diesmal nicht so spannend, wo es aufgenommen wurde. Aber die Botschaft dahinter finde ich sehr passend: Fiese Wolken stehen am Himmel und es regnet vielleicht sogar. Und plötzlich: Der Himmel reißt auf und die Sonne kommt wieder raus. Alles wird gut.
* Werbung, da Namensnennung
**Quelle: The Process of Transition, John M. Fisher in Psychologie Heute Compact, Ausgabe 51/2017
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