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Selbstoptimierung: Wann es mal genug ist

 

Sie sind allgegenwärtig. Apps und Bücher, Fitnesstracker und Anleitungen zum Glücklichsein – alles im Dienste der Selbstoptimierung. In allen Bereichen des Lebens streben wir nach stetiger Verbesserung – sei es körperlich durch Sport und Ernährung oder auch mental durch Persönlichkeitsentwicklung oder Meditation. Beispiele gibt es unzählige. Den mentalen Teil beackern wir Coaches natürlich auch ausführlich. Warum sollten wir nicht das Beste aus uns rausholen und uns stetig weiterentwickeln?

Und Weiterentwicklung ist natürlich positiv. Wir befassen uns mit uns selbst, mit unserem Verhalten und reflektieren. Wir arbeiten an unserer Wahrnehmung genauso wie an unseren Stärken und Schwächen. Wir ernähren uns bewusster und ausgewogener, bewegen uns mehr und schauen, wie wir auch besser schlafen können. Wir möchten sowohl unseren Körper als auch unseren Geist positiv beeinflussen. All das lässt uns zufriedener mit uns selbst und unserer Umwelt werden.

Jedoch bringt dies unter Umständen auch nicht so schöne Seiten mit sich.

 

Schattenseiten der Selbstoptimierung

  • Selbstoptimierung hört nicht auf. Wir haben nie das Gefühl, am Ende zu sein. Sobald wir ein Ziel erreicht haben, kommt das nächste, höhere. Und damit wachsen die Ansprüche an uns selbst. Wenn wir hier nicht achtsam mit uns umgehen, wird es schnell zum Selbstoptimierungswahn und einem Teufelskreis.
  • Selbstoptimierung setzt uns unter Druck. Jeder soll die beste Version seines Selbst werden und das Optimum rausholen. Das stresst ungemein, denn uns wird vorgemacht, dass jeder alles schaffen kann – wenn er nur will. Wenn man jedoch mit seinem Dasein zufrieden ist, wird man als faul oder antriebslos wahrgenommen.
  • Selbstoptimierung schürt den Wettbewerbsgedanken. Wir setzen uns selbst der Leistungsgesellschaft aus und sind ständig damit beschäftigt noch mehr raus zu holen. Uns wird suggeriert, dass wir unser Potenzial nicht ausschöpfen - und damit nicht gut genug sind. Fühlt sich nicht schön an, oder? Wenn wir bestimmte Trends nicht mitmachen, wird uns schnell ein schlechtes Gewissen eingeredet.
  • Selbstoptimierung führt zu Konsum. Mit dem neuen Produkt, der neuen App oder der neuen Routine bekommen wir alles in den Griff und werden glücklich. Bekommen wir es aber nicht so hin, führt das zu noch mehr Frust. Der Selbstoptimierungswahn macht uns dauerhaft unzufrieden (und wir kaufen noch mehr).

 

Das sind nur ein paar der nicht so schönen Seiten der dauerhaften Optimierung und wir sollten uns dessen einmal bewusst werden. Wir alle sind diesem Wahn mal mehr, mal weniger unterlegen.

 

Woher kommt der Wunsch nach Selbstoptimierung?

Es ist auch mal interessant, zu schauen, wo dieser Drang nach Selbstoptimierung denn herrührt. Und warum gerade die letzten Jahre vermehrt. Ich habe dazu eine für mich sehr aufschlussreiche Erklärung gefunden.

Ganz spitz formuliert: weil wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben in der all unsere Grundbedürfnisse (weitgehend) erfüllt sind.

Erinnern wir uns an die Maslow´sche Bedürfnispyramide (ja, die Schulzeit ist bissl her, aber den Grundgedanken kennen wir noch, oder?:-)) Diese besteht aus den Grundbedürfnissen und den darauf folgenden Wachstumsbedürfnissen.

 

Grundbedürfnisse sind physiologische Bedürfnisse, damit wir überhaupt überleben können (Nahrung, Wasser, Schlaf). Ausserdem Sicherheitsbedürfnisse (Arbeit, Geld, eine Wohnung und Gesundheit) und soziale Bedürfnisse. Wir suchen die Liebe, Mitmenschen, Partnerschaften und Freunde. Grundbedürfnisse haben immer oberste Priorität. Sind sie nicht erfüllt, kann das zu psychischen oder auch physiologischen Störungen führen. Klare Sache eigentlich: wenn wir ernsthaft krank werden oder uns schlichtweg das Geld für Nahrung fehlt, interessiert uns Wachstum erst mal wenig.

Wenn alle Grundbedürfnisse befriedigt und komplett erfüllt sind, kümmern wir uns um unser Wachstum. Individualbedürfnisse (Wunsch nach Anerkennung, Unabhängigkeit und Wertschätzung. Also alles, was uns ein gutes Gefühl gibt) und schlussendlich geht es an die Selbstverwirklichung. Hier geht es darum, Potenziale zu entfalten und sich weiterzuentwickeln.

Und hier sind wir nun angekommen: Da unsere Grundbedürfnisse in unserer Welt weitgehend befriedigt sind, streben wir automatisch nach mehr. Nach Wachstum und Weiterentwicklung.

 

Selbstoptimierung macht uns bewusster

Wie schon erwähnt: Selbstoptimierung ist durchaus positiv, solange wir es aus eigenen Stücken tun. Es sollte uns glücklich und zufrieden machen und uns nicht unter Druck setzen und damit Selbstzweifel schüren. Denn was bringt es uns, wenn wir einen gesunden, sportlichen Lebensstil führen, aber unser Inneres – unsere Psyche – den Preis zahlen muss?

Wir sollten uns eher fragen: Was wollen wir? Was nicht? Und warum? Wollen wir es wirklich? Oder denken wir, es wollen zu müssen, da es gerade Trend ist? Oder die Gesellschaft es von uns vermeintlich erwartet?

 

Wir alle sind von Natur darauf ausgerichtet, eher auf das zu schauen, was nicht gut läuft. Selbst wenn es eigentlich ganz gut läuft, sehen wir oft nur die eine Sache, die nicht ganz so optimal ist.  Und genau da ist der Knackpunkt: vielleicht sollten wir einfach nur lernen umzudenken. Einen anderen Blickwinkel einnehmen. Abends die Zeit nehmen und den Tag reflektieren: Was war heute gut? Wofür bin ich dankbar? Und uns ehrlich fragen, was wir wirklich brauchen um glücklich und zufrieden zu sein.        

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