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Projektion: Warum wir uns an die eigene Nase fassen sollten

 

Kennen wir das nicht alle? Eine Person legt ein Verhalten an den Tag, das uns direkt an die Decke gehen lässt. Mir geht das des Öfteren so. Ich kann mich richtig schön aufregen und manchmal lässt mich das dann auch nicht mehr los. Im Nachhinein denk ich mir jedoch immer: „Was eine Zeitverschwendung“.

Um genau das einfach nicht mehr so zuzulassen, wollte ich diesem Phänomen mal auf den Grund gehen. Warum regt mich das denn so auf?

 

Die Erklärung lautet: Projektion.

Das Ganze stammt aus der Psychoanalyse und beschreibt einen Abwehrmechanismus. Etwas vereinfacht, schreiben wir anderen Menschen Eigenschaften oder Probleme zu, die wir selbst in uns tragen, die wir aber gerne verstecken oder auch verdrängen. Wir übertragen also innere Konflikte (Ängste, Sorgen, Scham) auf eine andere Person. Dadurch müssen wir uns nicht selbst damit auseinandersetzen. Ist ja auch bequemer.

Im Grunde sind es negative Eigenschaften, die wir an uns selbst nicht mögen. Wir kritisieren den Anderen umso mehr, je mehr wir genau diese Eigenschaft verabscheuen. Oder aber es sind Eigenschaften, die wir insgeheim beneiden, wir jedoch entweder nicht den Mut haben, auch so zu sein, oder wir bereits als Kinder gelernt haben, dass diese Eigenschaften nicht ok sind.  

 

Situationen, in denen wir projizieren

Ich habe in dem wunderbaren Buch „Starkes weiches Herz“ von Madeleine Alizadeh* eine tolle Aufstellung für Situationen gefunden, in denen wir projizieren:

  • Antipathie: Wenn wir etwas (eine Eigenschaft) komplett ablehnen, um deutlich zu machen, dass wir so nicht sein wollen.
  • Konkurrenz: Wenn wir nicht möchten, dass der andere so ist / wird wie wir. Dass wir uns abgrenzen möchten.
  • Selbstkritik: Wenn wir uns einer Eigenschaft bewusst sind und gerade deshalb diese auch beim Anderen extrem ablehnen, da wir sie nicht mögen.
  • Übertragung: Wenn wir die Person mit jemanden in Verbindung bringen, der uns an jemanden erinnert, den wir nicht mögen.
  • Neid – Wenn wir insgeheim gerne genauso wären, wir uns aber nicht trauen oder wir uns selbst ausbremsen.  

Um es deutlicher zu machen, hier ein paar Beispiele:

  • Wenn uns selbst etwas „fehlt“:  Wir sind genervt von Menschen, die von ihren Fähigkeiten überzeugt sind. Wir sehen sie als Angeber oder extrem unsympathisch. Der Grund könnte hier im eigenen Selbstvertrauen liegen. Weil wir uns es selbst nicht zugestehen, so offen mit unserem Selbstvertrauen bzw. vielleicht sogar ein nicht ganz so großes Vertrauen in uns selbst und unsere Fähigkeiten zu haben.
  • Wenn wir selbst so sind: Wir unterstellen anderen Menschen, dass sie nicht ehrlich sind, weil wir es vielleicht selbst nicht sind. Das Ganze lässt sich auf so viele Eigenschaften ausweiten: Vertrauen, Ehrlichkeit, Offenheit, Authentizität, Loyalität, Toleranz... und so weiter.

Ich selbst reagiere beispielsweise immer äußerst genervt, wenn Menschen „laut“ sind. Wenn Sie lauthals in der Bahn telefonieren oder im Büro die ganze Bude unterhalten. Warum? Weil ich selbst leise und zurückhaltend bin. Ich niemanden stören will. Und insgeheim wäre ich manchmal vielleicht gerne lauter und würde drauf pfeifen, ob das nun jemanden stört und ein bisschen mehr egoistisch sein,

Wenn wir also etwas an Anderen extrem ablehnen, hat das schlichtweg mit uns selbst zu tun. Wir sehen vor allem unsere Eigenschaften, unsere Ziele und Werte. Genau das ist Punkt: wir müssen lernen das zu erkennen. Aber wie?

 

Was wir tun können

Wichtig ist, genau hineinzuschauen und zu erkennen, warum uns etwas nervt oder ärgert. Wir sollten uns dann selbst fragen:

  • „Warum ärgert mich das oder macht mich wütend?“
  • „Warum reagiere ich auf genau diese Eigenschaft mit Ärger oder Wut?
  • „Was hat das überhaupt alles mit mir zu tun?“
  • „Lehne ich diese Eigenschaft am Anderen nur so ab, weil ich sie selbst auch habe und nicht mag?“
  • „Hätte ich selbst lieber weniger oder mehr von dieser Eigenschaft haben?“

Wir müssen verstehen, dass die Dinge, die wir dem anderen an den Kopf werfen meist nichts mit der Person zu tun hat, sondern mit uns selbst. Das zu erkennen ist natürlich mehr als unangenehm. Wenn wir das jedoch schaffen, immer dahinter zu schauen, warum wir wie reagieren, werden wir Stück für Stück wieder mehr Kontrolle und Einfluss in unsere Gefühlswelt und unser Leben bekommen. Wir lernen, ungeliebte Seiten an uns zu akzeptieren und uns besser zu verstehen.      

 

 

 

* unbezahlte Werbung, da Namensnennung  

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