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Grenzen: Warum wir sie ziehen und auch wahren sollten

 

Wir stoßen in unserem Leben immer wieder an Grenzen. Seien es die eigenen oder die von Anderen.

Wie oft sind wir gekränkt, wütend oder traurig, wenn jemand eine für uns wichtige Grenze überschreitet. Oder auch umgekehrt: Wie oft sind wir einem anderen Menschen schon auf den Schlips getreten?

In beiden Fällen fragen wir uns natürlich, wie das passieren konnte. Die Antwort ist einfach: Keiner wusste über die Grenzen des Anderen Bescheid.

 

Jeder steckt seine Grenzen individuell – für Jeden ist an einem anderen Punkt Ende Gelände. Und das muss man erst mal verstehen. Woher will der Andere wissen, wo bei mir Schluss ist, wenn ich es nicht sage? Wenn ich nicht mit einem Stoppschild zu verstehen gebe: „So, Herzelein, bis hier hin und weiter geht’s nicht“ und damit meine Grenze markiere....tja, wen wundert da ein Grenzübertritt?

 

Warum es so schwer ist, Grenzen zu setzen und zu wahren

Das Thema Grenzen ist generell heute in unserer Gesellschaft nicht ganz so beliebt. Wir sind immer und überall erreichbar, arbeiten bis in die Puppen, können online 24/7 einkaufen ohne Rücksicht auf Ladenschluss und teilen sämtliche Erlebnisse auf unseren Social Media Accounts. Grenzenlos sozusagen. Privatsphäre? Rückzug? Fehlanzeige. Wer das nicht ganz so gut findet, wird schnell zum Eigenbrödler abgestempelt und ist oft raus aus dem Spiel. Schon aus diesem Grund fällt es dem ein oder anderen schwer, sich abzugrenzen.

Ein anderer Grund ist das Gefühl der Angst. Wer nicht über einen gesunden Selbstwert verfügt, tut sich schwer Abstand zu schaffen. Aus Angst zurückgewiesen zu werden. Und so geschieht es nicht selten, dass die Grenzen bei Weitem überschritten wurden, obwohl wir sie vielleicht sogar mitgeteilt haben. Statt jedoch mit einem gesunden Maß an Wut oder Aggression zu reagieren – und Abstand zu schaffen – sehen wir gekränkt drüber hinweg. Wir fühlen uns schwach und ausgeliefert und stellen vielleicht sogar im schlechtesten Fall infrage, ob wir überhaupt ein Recht auf diese Grenze haben.

 

Die gute Nachricht jedoch ist: Wir können alles lernen. So auch Grenzen zu setzen und dafür zu sorgen, dass wir uns und unsere Bedürfnisse wieder auf die Bühne unseres Lebens holen.  

 

Wie wir unsere Grenzen stärken können

Der wesentliche Punkt ist oft, dass wir unsere eigenen Grenzen gar nicht wirklich kennen. Erst wenn sie überschritten werden, werden wir ihrer schmerzlich bewusst.

Daher gilt: Wer sein Land beschützen will, muss auch wissen wo die Grenzen sind und dafür sorgen, dass diese eingehalten werden. Das ist auch gar nicht so schwer, wenn man weiß wie.  

 

1. Eigene Bedürfnisse und Werte erkennen

Damit wir wissen, was wir denn eigentlich beschützen müssen, sollten wir im ersten Schritt unsere eigenen Bedürfnisse und Werte kennen.

Genau hier wird es für überangepasste Menschen – also jene, die eher Bindungsorientiert sind – etwas knifflig. Sie sind oft sehr „harmoniesüchtig“, wollen gefallen, niemanden vor den Kopf stoßen. Daher kennen sie meist die Bedürfnisse des Anderen besser als die eigenen.

Hier gilt es: mehr bei sich sein. Was will ich denn? Was ist mir wichtig? Wie fühle ich mich?  

 

2. Die eigenen Grenzen erkennen

Nun heißt es, Augen auf. Wo liegen meine Grenzen denn wirklich?

  • Wie nah darf mir jemand räumlich oder körperlich kommen – also auch meine physischen Grenzen? • Wie stark halte ich an meinen Werten und Ansichten fest?
  • Was ist okay für mich und was nicht?
  • Sage ich oft „ja“, obwohl ich „nein“ meine?
  • Wäre in manchen Fällen ein Grenzübertritt verhandelbar?

Dazu sollten wir im Alltag öfter mal kurz innehalten und auf unseren Körper und unsere Gefühle achten. Der Körper ist wie so oft auch hier der beste Wegweiser. Gibt es hier Angespanntheit, innere Unruhe, ein Krummeln im Bauch ...?

Wir können unser Land nur beschützen, wenn wir die Grenzen genau abgesteckt haben.  

 

3. Grenzen klar mitteilen und verantworten

Nur wenn wir dem Anderen unseren Grenzverlauf klarmachen, kann er auch erkennen, wann er nicht weitergehen darf. Wichtig ist hier: Transparenz und Klarheit schaffen - freundlich und empathisch. Sich dennoch in den anderen hineinversetzen und ihn nicht vor den Kopf stoßen.

 

Wir selbst achten darauf, dass diese Grenzen nicht überschritten werden. Um in der Landes-Analogie zu bleiben: Nicht der Grenzgänger trägt die Verantwortung, wenn er die Grenze übertritt, sondern wir selbst. Denn wir (mit unserem inneren Grenzbeamten) haben es zugelassen. Da bringt auch im Nachgang kein: „Ich hab´ doch meine Grenze klar aufgezeigt und auch Stoppschilder aufgestellt!“ nichts. Der Andere geht nur soweit, wie wir es zulassen.

 

Grenzen setzen – uns selbst zuliebe!

Ein „Nein!“ oder „Stopp!“ geht vielen von uns nicht ganz so leicht von den Lippen. Oft aus Angst vor Ablehnung und Zurückweisung.  

Aber Grenzen sind dazu da, um uns selbst zu schützen! Indem wir Grenzen ziehen, achten wir auf uns selbst und auf unsere Bedürfnisse. Das ist kein Zeichen von Selbstsucht und Egoismus, sondern von Selbstliebe und Selbstachtung. Unsere eigenen Ressourcen sind eben auch begrenzt, weshalb wir mit ihnen haushalten müssen um nicht selbst irgendwann in die Röhre zu gucken. Dadurch sind wir doch auch am ehesten in der Lage jederzeit für jemanden da zu sein und ihm zu helfen.

 

Was wir aber nicht vergessen dürfen in dem ganzen „selbst Grenzen setzen“:

Jeder hat seine Grenze wo anders. Was den Einen direkt zum Ausrasten bringt, ist für den Anderen eine Lappalie. Und doch versuchen wir – manchmal gar nicht bewusst – von uns selbst auf den Anderen zu schließen. Wir stülpen ihm unsere Grenzvorstellungen über. Daher ist auch hier wichtig, herauszufinden, wo die Grenze beim Anderen liegt. Und wie könnte dies einfacher funktionieren als in der Kommunikation? Nur so schaffen wir Klarheit und Transparenz.

Von hier ab gilt es: Grenzen des Anderen akzeptieren. Aufmerksam sein, zuhören, schauen was der Andere gerade braucht. Dadurch fühlt er sich nicht unter Druck gesetzt unsere Erwartungen erfüllen zu müssen,

 

Grenzen zu setzen ist nicht von heute auf morgen gelernt. Wie so vieles ist auch das ein Prozess und ein „sich vortasten“. Nein sagen muss geübt werden und macht uns von Mal zu Mal stärker – und auch authentischer.  

 

 

Foto:

Isaiah Rustad via unsplash

 

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