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Geduld: Warum wir lernen sollten auch mal zu warten

 

Geduld ist vielen von uns zwar ein Begriff, gelebt wird sie jedoch oft nur mangelhaft. Es kann alles nicht schnell genug gehen und das Nervenkostüm ist an der ein oder anderen Stelle recht dünn. Ob an der roten Ampel oder wenn das Projekt bei der Arbeit fertig werden soll. Die Meisten von uns wünschten sich, dass sie geduldiger wären, denn „Geduld ist eine Tugend“. Und dennoch möchten wir unsere (begrenzte) Zeit bestmöglich nutzen – und das sicher nicht im Wartebereich des Lebens. Zeit ist kostbar, oder Zeit ist Geld? Da hat Geduld nichts verloren und warten schon gar nicht.  

 

Laut Duden ist Geduld die Ausdauer im ruhigen, beherrschten und nachsichtigen Ertragen oder Abwarten von etwas. Der Begriff stammt vom mittelhochdeutschen (ge)dult oder althochdeutsch (gi)dult für Dulden ab und ist verwandt mit dem lateinischen tolerare – tolerieren. Interessant ist auch die Nähe des lateinischen Begriffes patentia (Geduld) zum Patienten; dem Erleidenden, Ertragenden. Wir ertragen oder dulden also einen gewissen Zustand. 

 

Was macht uns ungeduldig?

Im Prinzip ist etwas Gewünschtes einfach (noch) nicht da. Die Zeit bis zur Erfüllung des Wunsches ist jedoch meist absehbar. Hinter der Ungeduld stecken unterschiedliche Ursachen: 

Sei es die innere Unruhe, wenn wir im Stau stehen, Sehnsucht, wenn wir dem nächsten Treffen mit dem Liebsten entgegenfiebern. Auch Sorgen und Ungewissheit, wie beispielsweise derzeit mit Corona oder schlicht Gier und Neid, wenn wir etwas wollen, was andere haben. Zu guter Letzt gibt es aber auch die Langeweile die zu Ungeduld führt.

Interessant ist: was den einen rasend macht, juckt den anderen so gar nicht.

 

Wann warten sinnvoll sein kann

Es gibt aber Situationen, in denen es ratsamer ist, die Ungeduld mal beseite zu schieben - dann ist abwarten die bessere Option. Etwa dann, wenn wir dadurch Zeit gewinnen. Um beispielsweise eine Entscheidung zu treffen, besser abwägen zu können und in Ruhe drüber nachdenken und nicht im Affekt handeln.

In der Literatur sind einige Bereiche zu finden, in denen Warten können durchaus „sinnvoll“ ist:

  • Kommunikation

Wenn jemand schnell spricht und keine Pausen macht, ist das für die Zuhörer nicht auch anstrengend? Warum wohl machen trainierte Sprecher Pausen an bestimmten Stellen? Damit das Gesagte nachwirken und verinnerlicht werden kann.

  • Finanzen

Auch in Bezug auf Geld und Sparen oder Anlegen agieren wir oft zu schnell. Die Folge sind finanzielle Verluste. Anlagen sind eine langfristige Sache. Das muss man verstehen und auch aushalten können. Beim Anlegen liegt der richtig, der abwarten, abwägen und die Chance zum richtigen Zeitpunkt ergreifen kann.

  • Gesundheit

Nicht immer ist es ratsam, sofort zum Arzt zu rennen, wenn was ziept und drückt. Selbst Ärzte räumen ein, dass man dem Körper oft einfach Zeit geben sollte um sich selbst zu heilen. Das vermindert nicht nur den Einsatz von unnötigen Medikamenten, sondern auch die Nebenwirkungen, die dadurch oft auch auftreten können. „Watchful waiting“ wird das in Fachkreisen genannt.

  • Miteinander

Auch im täglichen Umgang miteinander ist es oft besser, mit einer zeitlichen Verzögerung zu handeln. Etwa bei einer Entschuldigung oder im Streit. Hier lieber den Rückzug antreten und in Ruhe reflektieren. So haben beide Parteien die Chance, für sich zu schauen, wie sie mit der Situation umgehen und auch, wie sie sich ausdrücken können.

 

Geduld wird belohnt

In den 1960er gab es die berühmten Marshmallow-Experimente. Hier bekamen kleine Kinder einen Marshmallow mit dem Hinweis: Du kannst ihn sofort essen oder wenn ich in 20 Minuten wiederkomme, bekommst Du noch einen. Hier wurde erforscht, welche Rolle die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub auf die Persönlichkeitsentwicklung hat.

Dabei war interessant, was die Kinder taten: die einen verschlangen das gute Stück umgehend, während die anderen versuchten, sich abzulenken.

Sie haben verstanden: ich werde belohnt, wenn ich nur warte und mich gedulde. Diese Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ist also lernbar. Die damit verbundene Selbstkontrolle ist ein wesentlicher Punkt um langfristig Ziele zu erreichen.  

 

Kleiner Exkurs:

Im Gehirn gibt es zwei verantwortliche Bereiche: Der erste Bereich, in dem auch die berüchtigte Amygdala aktiv ist, steht für emotionale und reflexgesteuerte Reaktionen und ist aktiv wenn etwas sofort gemacht werden soll. Somit eher die Affekthandlungen. Der zweite Bereich befindet sich im präfrontalen Kortex und ist für kreatives Denken, für effektives Problemlösen zuständig. Hier wird es für uns möglich, unsere Aufmerksamkeit neu auszurichten. Dieser Teil ist bei Belohnungsaufschiebung aktiv.  

 

Wie wir Geduld lernen können  

Wir können Geduld lernen, wenn wir das wollen. Es liegt in unserer Macht. Denn alles ist eine Frage der Haltung. Geduld gibt Raum für Kreativität und gibt uns Klarheit in vielen Bereichen indem sie uns Zeit verschafft.  

  • Akzeptieren, was nicht zu ändern ist

Wir müssen unsere eigenen Grenzen erkennen. Was liegt in unserer Macht und kann direkt durch uns beeinflusst werden? Die rote Ampel sicher nicht.  

  • Erwartungen überdenken

Ungeduld wird eher von den eigenen Erwartungen getrieben, als vom Verhalten anderer. Hier können wir uns wieder runterholen: „Es ist zwar gerade nicht ganz so bequem oder gar nervig, aber ein Weltuntergang ist es nicht – und daher durchaus tolerierbar.

  • Lernen auch mal nichts zu tun

Wenn wir drei Stunden auf dem Amt sitzen müssen, ist das natürlich alles andere als toll. Sich selbst aber nun zu stressen oder sich zu ärgern bringt keinem was. Warum also nicht einfach dankbar für die Zeit sein, nur für uns? Wann können wir denn einfach so unsere Gedanken nachhängen? Und wenn man doch produktiv sein will: Notizen machen, To Do Listen schreiben oder auch einfach nur Menschen beobachten. Lohnt immer :-)

  • Yoga für mehr Gelassenheit

Auch Yoga ist eine tolle Möglichkeit, um Gelassenheit zu lernen. Gerade im Yin Yoga werden die Positionen lange gehalten. Das trainiert die Gedanken zu beruhigen und kontrollieren und wir lernen zudem noch, regelmäßig und bewusst zu atmen.  

  • Langsamer werden „Wenn Du es eilig hast gehe langsam“, so sagt man. Ungeduld rührt oft aus Zeitdruck und endet in Hetzerei und Stress. Innehalten, durchatmen und langsamer weiter gehen. Gibt weniger graue Haare und vermindert zudem noch Fehler.

Jedoch sei gesagt, dass Ungeduld ebenso ihre Berechtigung hat. Sie führt uns oft zu Veränderung. Ganze Revolutionen sind aus Ungeduld entstanden. Wir dürfen Geduld auch nicht mit Selbsttäuschung, Passivität, Zögerlichkeit oder Angst verwechseln. Wir müssen uns immer fragen, ob Geduld hier angebracht ist, denn manchmal muss man Gelegenheiten nutzen, sobald sie da sind. Auch ohne lang abzuwägen. Hier brauchen wir eine gute Portion Intuition und Vertrauen in uns selbst und unsere Entscheidungen.

Dennoch: diverse Studien zeigen, dass geduldige Menschen in vielen Lebensbereich besser dran sind. Sie haben einen höheren Bildungsgrad, stehen finanziell besser da und sind gesünder.

 

Warum also nicht lernen, geduldig zu sein – vor allem auch mit uns Selbst?  

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