Wir alle stecken täglich voller Erwartungen. Erwartungen an den Partner, die Freunde, Familie und Kollegen...an Gott und die Welt. Oft sind wir bitter enttäuscht, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.
Aber was genau sind eigentlich Erwartungen?
Erwartungen sind per Definition die Vorwegnahme von Ereignissen, Reaktionen und Handlungen in der Zukunft. Wir erwarten, wünschen, wollen, hoffen oder vermuten, dass etwas künftig (in unserer Vorstellung, unserer Welt) eintreten sollte. Wie der Partner sich verhalten oder das Finanzamt die Steuererklärung direkt und sofort bearbeiten sollte. Wir möchten, dass etwas unseren Wünschen entspricht.
Hier kommt das Wort „sollte“ immer wieder ins Spiel. Wir sagen Dinge, wie: „Mein Partner sollte immer lieb und nett zu mir sein.“ Oder: „Meine Kollegen sollten mehr Rücksicht auf mich nehmen.“ Die Diskrepanz jedoch zwischen dem was wir erwarten und dem, was letztlich eintrifft führt nicht selten zu Enttäuschung, Leid und Frust. Forscher bestätigen sogar, dass unrealistische Erwartungen das Risiko von Depressionen und Angsterkrankungen erhöhen. Um unser selbst willen sollten wir also lernen, unsere Erwartungen loszulassen oder zumindest mal zu überdenken.
Uns bewusstwerden, wann, wie oft und was wir denn so tagein, tagaus erwarten (von Partner, Freunden, Kollegen, der Welt, dem Wetter...). Das ist uns nämlich meist gar nicht mehr präsent. Wenn wir das aber nun schon mal wissen....Wie können wir nun mit unseren Erwartungen umgehen?
Hier ein paar Gedanken und Ansätze:
- Dinge einfach akzeptieren
Das Wichtigste ist, zu erkennen, was wir beeinflussen können, also die Kontrolle, haben und was nicht. Wir können Gedanken, Reaktionen oder Handlungen der Anderen nicht kontrollieren. Doch wir können selbst entscheiden, wie wir damit umgehen, darüber denken und fühlen. Wir haben kein Recht darauf, dass Jemand etwas tut, nur weil wir es uns wünschen. Menschen sind wie sie sind – und wir können sie nicht ändern. Je eher wir das akzeptieren und den Anderen so nehmen, wie er ist, desto unkomplizierter und friedvoller ist es für uns selbst – aber auch für den Anderen.
- Lernen umzudenken
Wenn wir vom Kollegen erwarten, dass er uns morgens direkt mit einem Kaffee begrüßt und uns ein „Sollte“ in den Sinn kommt: „Der Kollege sollte mir morgen früh direkt einen Kaffee auf den Tisch stellen wenn ich komme“ (tolles Beispiel – Hallo Kollegen, mit Milchschaum bitte ;-) ). Dann können wir versuchen es umzuwandeln in ein „Es wäre schön, wenn der Kollege mir einen Kaffee hinstellt. Die Welt geht aber nicht unter, wenn er es nicht tut“. Schon haben wir den Druck rausgenommen, da wir nicht mehr so darauf fixiert sind.
- Sagen, was uns fehlt
Wir erwarten vom Anderen oft, dass er genau weiß, wie wichtig uns etwas ist – nur weil er uns vermeintlich gut kennt. Der Andere kann aber gar nicht wissen, was uns wichtig ist, denn niemand kann Gedanken lesen. Erst wenn wir unsere Wünsche auch verbal ausdrücken, hat er die Möglichkeit, reagieren und handeln zu können – oder eben auch nicht. Kommunikation ist in das A und O.
- Selbst ins Handeln kommen
Indem wir bestimmte Dinge vom Anderen erwarten, machen wir uns abhängig. Wir geben ihm sozusagen die Macht und befördern uns selbst damit in die Opferrolle. Ich kann mich aber in jeder Situation fragen: „Liegt es in meiner Macht und kann ich selbst etwas ändern?“ Wenn ja: handeln. Wenn nein, geht’s zurück zum Akzeptieren: „Ich akzeptiere es, denn ich kann es nicht beeinflussen.“ Wenn ich selbst aktiv werde, stelle ich mein Handeln wieder in den Mittelpunkt - und nicht das der Anderen.
- Verantwortung übernehmen
Kein Anderer kann uns glücklich machen, außer wir selbst. Wenn uns etwas fehlt zum Glück, sollten wir uns dessen Bewusst werden und die Sache selbst in die Hand nehmen. Hier kommt auch wieder Kommunikation oder Handeln ins Spiel. Wichtig ist, zu verstehen, dass niemand für unser Glück oder Leid verantwortlich ist.
- Auswirkungen bewusst machen
Es gibt immer einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Wenn ich etwas von meinem Gegenüber erwarte, nehme ich ihm auch die Freiheit, zu handeln wie er es gerne selbst getan hätte. Wir sollten uns vor Augen führen, was die Auswirkung sein kann. Der Andere handelt, wie er es eventuell nicht getan hätte und verstellt sich dadurch. Das führt zu Frustration und irgendwann auch zu Resignation und Rückzug.
Meines Erachtens gibt es aber auch ein paar Dinge, die ich persönlich erwarten will und kann. In meinem Fall sind das Wertschätzung, Respekt, Ehrlichkeit und Loyalität – um ein paar für mich essentielle Werte zu nennen. Diese sind natürlich bei jedem anders. Ich selbst entscheide dann für mich, wie ich damit umgehe, wenn diese Werte mir oder der Welt nicht entgegengebracht werden.
Es ist nicht immer alles perfekt. Und das ist auch gut so. Ohne Regen, kein Wachstum. Ohne Traurigkeit, keine Freude. Und manchmal eben auch ohne Scheitern, kein Erfolg. Unsere Erwartungen können einfach nicht immer erfüllt werden - damit müssen wir leben und eben auch das Gefühl der Enttäuschung aushalten. Denn nur so können wir das Glück spüren, wenn sie denn dann doch erfüllt werden.
Die Geschichte zum Bild
Wie so oft, ist es auch diesmal ein Bild auf Reisen. Spektakulärer Sonnenuntergang als Empfang in Assisi - meinem Startpunkt einer großen Wanderung. Wie es mit Urlauben immer so ist: man hat gewisse Erwartungen. Auch ich hatte Erwartungen. Dass das Wetter so toll ist, wie an diesem Tag. Dass ich jeden Abend richtig leckeres Essen mit anderen Pilgern in den Herbergen bekomme. Dass ich überhaupt in Herbergen übernachten kann...um mal ein paar davon zu nennen. Was ist eingetreten? Fast nichts davon. Dafür eine unglaublich bereichernde Zeit für mich selbst. Im Dauerregen. Alleine. Meist in leeren Hotels. So ist das Leben. Und es ist großartig.
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