Als ich mich entschied, neben meinem Job eine Ausbildung zum Systemischen Coach zu beginnen, kam bei vielen meiner Freunde und Bekannten die Frage auf: „Coach? Und für was genau?“, „Ach so...sowas wie ein Therapeut?“ Nach den ersten paar Erklärungsversuchen, wurde mir jedoch selbst schnell klar: irgendwie so eindeutig abzugrenzen ist das nicht.
Genügt bei bestimmten Fragestellungen oder Anliegen das Gespräch mit einem Coach, um Klarheit zu bekommen? Oder liegt das Problem doch tiefer, so dass eine Therapie nötig ist? Dies selbst zu entscheiden, ist nicht immer einfach. Nicht zuletzt, weil die Vorgehensweise in Coaching und Therapie ähnlich ist.
Irgendwie haben die Beiden ja doch die gleiche Basis ... Beide verwenden Methoden, Techniken und Tools, welche auf der Psychotherapie basieren und sich daraus ableiten. Speziell bei Fragetechniken oder Interventionen generell gibt es hier kaum Unterschiede. Ebenso – und aus meiner Sicht, ein sehr wichtiger Punkt, der mir vorher so auch nicht bewusst war - ein Coach oder Therapeut ist kein Berater oder Ratgeber. Er wird sich hüten, zu sagen was der Klient tun soll. Im Gegenteil. Er hört zu und ist ein Gesprächspartner. Fokus ist das Erlebte und die Wirklichkeit des Klienten. Dies bildet den Kern der Sitzungen.
Wichtig hier auch zu erwähnen: Im Mittelpunkt steht der Klient mit seinem Tauchgang in sein Innerstes. Seine Emotionen. Seine Gedanken. Hier werden auch in beiden Fällen Verfahren angewendet, die es dem Klienten ermöglichen, sich selbst zu reflektieren. Manchmal nicht nur durch die eigene Sicht, sondern auch durch die Augen von Anderen.
Es gibt noch gefühlte 100 weitere Punkte, die ich hier aufzählen könnte. Dies soll einen ersten Eindruck geben.
Was ist Psychotherapie?
Anders als Coaching ist die Therapie in Deutschland eine gesetzlich geschützte Profession. Nur wer über eine Approbation in Psychotherapie (Erlaubnis nach dem Psychotherapeutengesetz, PsychThG) verfügt, darf Menschen behandeln und sich „Psychotherapeut“ nennen. Andernfalls verstößt man gegen geltendes Recht, was als Straftat geahndet werden kann.
Ohne eine Zulassung als psychologischer Psychotherapeut oder als Heilpraktiker ist es verboten, Dienstleistungen durchzuführen, die die Diagnose und Behandlung von Krankheiten bzw. Krankheitsbildern (die in den klinischen Bereich der psychischen Störungen hineinreichen) beinhalten. Dazu zählen beispielsweise Phobien, Depressionen, Paranoia, Angstzustände, Magersucht / Bulimie, Suchtkrankheiten, Traumata, nur um Einige zu nennen.
(Welche Krankheiten das im Detail sind: hier gibt es eine Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD 10, Kapitel F) – für alle, die das in vollem Umfang interessiert:
Und was genau ist dann Coaching?
Ein Coach kann in vielen Bereichen unterstützen: von der Selbstfindung über grundsätzliche Fragen zur Lebensplanung, Probleme in Partnerschaft und Familie bis hin zur Trauerbegleitung. Und natürlich im Job. Coaching ist generell „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei der Suche nach einer Lösung für ein Problem – oder wie es im Coaching heißt: Anliegen.
Jeder von uns kommt irgendwann in seinem Leben an persönliche Grenzen, schlittert in eine Krise privater oder beruflicher Natur. Wir sind blockiert, können uns nicht mehr motivieren, fühlen uns hilflos. Misstrauen, Unzufriedenheit und Ratlosigkeit ist oft das Ergebnis und beeinträchtigt irgendwann sowohl unser Privatleben als auch die Leistung im Job.
Coaching kann in diesen Fällen Ansätze bieten, um auf Schwierigkeiten und Hindernisse reagieren zu können. Ein Coach unterstützt dabei die eigene Lösungs-Kompetenzen und versucht, die Entwicklung der Persönlichkeit des Coachee zu fördern, damit er später auch ohne „Hilfe zur Selbsthilfe“ in den Situationen klarkommt.
Wie reagiere ich? Wie möchte ich reagieren? Warum ist das so? Hatte ich eine ähnliche Situation schon einmal? Wie habe ich das gelöst? Wie habe ich mich gefühlt? Coaching soll den Betroffenen in die Lage versetzen, die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Gespräche mit einem Coach sollen daher dazu führen, dass er wieder Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten findet und die eigenen Bedürfnisse erkennt.
Aber: Wer denkt, Coaching ist ein kleiner Ausflug ins Innere und kann sich beruhigt zurücklehnen, der täuscht. Auch im Coaching kann es auch anstrengend werden. Sich selbst schwierige Fragen zu stellen, in sein tiefstes Inneres einzutauchen, sich manche Dinge einzugestehen und überhaupt zu erarbeiten – das ist super anstrengend und manchmal mehr als unangenehm. Vor allem ist es oft nicht mit einer Sitzung getan, wenn man an einem Problem oder speziell an seiner Persönlichkeit intensiv arbeiten möchte.
Ach, da hatte ich das Wort ja schon: Arbeit. Es ist Arbeit, und zwar wirklich harte Arbeit. Persönliche Weiterentwicklung ist anstrengend und man wird die Komfort-Zone verlassen müssen.
Was wichtig ist: Der Wille muss da sein. Sowohl für Coaching als auch für eine Psychotherapie.
Soviel zu den Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten. Um es etwas anschaulicher zu machen, wann wer zum Einsatz kommen sollte, ein kleines Beispiel zur Abgrenzung von Coaching und Psychotherapie:
Viele Menschen haben Angst vor Prüfungen. Zu schauen, woher die Angst kommt und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiederzufinden – das wäre ein Ziel für den Coach. Ist diese Angst aber so schlimm, dass das Hinausschieben von Prüfungen das eigene Leben stark beeinflusst, man das Studium von Semester zu Semester verschleppt, dann ist die Prüfungsangst pathologischer Natur – hier wäre der Klient besser in einer Therapie aufgehoben.
Am Ende liegt es an jedem Einzelnen selbst, ob er Hilfe in Anspruch nehmen möchte – ebenso die Frage, ob er sich an einen Therapeuten oder an einen Coach wendet. Ich denke, hier weiß jeder selbst, was für ihn richtig ist und handelt intuitiv richtig. Es geht auch um „sich wohlfühlen“. Spätestens nach dem ersten Gespräch sollte aber klar sein, ob ein Coaching oder eine Therapie sinnvoller ist – dies herauszufinden, ist Aufgabe des Coach oder des Therapeuten.
In diesem Sinne: Vertraut Euch selbst und Eurer Intuition! Sie wird Euch den richtigen Weg zeigen - auch wenn der vielleicht über einen Umweg führt...auch abseits vom Pfad kann man Schönes erleben und sehen. Nichts ist umsonst.
Die Geschichte zum Bild:
Dieses Bild steht für mich persönlich für viele positive Erinnerungen - und ich fand natürlich die Aussage dahinter sehr passend, für diesen Blog-Artikel.
Gemacht habe ich es, als ich in einem Yoga-Retreat auf Koh Phanghan in Thailand war. Für mich eine unglaublich lehrreiche Woche, die mich selbst wieder geerdet hat. Der White Rabbit Room war dort der Meditation-Raum. Sehr passend, wie ich finde:
Auf der Einen Seite ist es ein Wegweiser - Coach oder Therapeut? Auf jeden Fall geht es in eine Richtung - nämlich dem Ziel entgegen. Auf der anderen Seite kommt der White Rabbit - das weisse Kaninchen - aus Alice im Wunderland. Alice folgt dem hübschen Tierchen mit der Uhr ins Wunderland, und damit in eine andere Welt. Es geht also um einen Weg in eine andere Welt, die nicht nur räumlich sein muss.
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