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Aufschieben: Warum wir Aufgaben nicht vor uns herschieben sollten

 

 „Morgen ist auch noch ein Tag“. Diesen Satz kennen wir allzu gut, oder? Wir schieben gerne mal ungeliebte Aufgaben vor uns her. Manchmal in der Tat nur diesen einen Tag – bis morgen. Oft jedoch auch fast in die Unendlichkeit. Ich denke hier an die allseits beliebte Steuererklärung oder auch unangenehme Termine und Gespräche. Für alles finden wir gute Gründe, um es nicht jetzt zu tun.

Zwar ist bekanntlich aufgeschoben nicht aufgehoben, dennoch schieben viele Menschen Aufgaben so lange vor sich her, dass sie irgendwann immens darunter leiden. Die Tatsache, dass Aufgaben erst kurz vor Schluss überhaupt angegangen werden, führt zu Druck und Stress, sowie nicht selten zu körperlichen oder auch psychischen Beschwerden. Durch Frust, Scham und Angst wird es nicht einfacher, den Kreislauf zu durchbrechen.

Interessant hierbei: Derzeit leidet weltweit jeder Fünfte an chronischem Aufschieben, auch Prokrastination genannt.  

 

Was ist Prokastination?

Prokrastination kommt vom Lateinischen „procrastinare“ - vertagen, was sich aus „pro“ für vor-, oder vorwärts und „crastinum“ - morgiger Tag zusammensetzt. Sie wird als Arbeitsstörung bezeichnet, die durch Vertagen von Beginn oder auch Unterbrechen von bereits begonnenen Aufgaben gekennzeichnet ist. Damit werden Aufgaben entweder gar nicht oder kurz vor Deadline nur unter enormen Druck fertiggestellt.

Aufschieben ist nicht zu verwechseln mit Trödeln. Denn hier werden die Aufgaben zwar langsamer erledigt bzw. werden sie bewusst anders priorisiert und – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung – ohne spürbaren Druck erledigt.  

 

Aufschieben hat mehrere Ursachen

Einige Menschen neigen eher zum Aufschieben als andere. Aber warum? Woher kommt das?

Es gibt unterschiedliche Ursachen, die zum „unnötigen Vertagen“ von Aufgaben führen können: 

Eine davon ist die vermehrte Bildung des Botenstoffes Dopamin, und das ist genetisch bedingt. Dopamin sorgt dafür, dass Informationen leichter in unser Arbeitsgedächtnis gelangen, wo dann die Informationen abgespeichert werden, die wir für die Aufgabe benötigen. Bedeutet: eine große Menge an Infos kann schneller gespeichert werden. Was jedoch den Nachteil hat, dass wir uns aufgrund des hohen Inputs ablenken lassen.

Je mehr drin ist, desto schwieriger wird der Fokus.

 

Eine weitere mögliche Ursache kann auch die Größe der Amygdala sein. In diesem Teil des Gehirns wird die Verarbeitung von Gefühlen gesteuert. Hier sitzt quasi der Schisser in uns und warnt uns vor negativen Konsequenzen. Der Gegenspieler, der uns eher bestärkt, Aufgaben umzusetzen ist der anteriore cinguläre Cortex (ACC). Es wird vermutet, dass, wenn die Amygdala verhältnismäßig groß ist, die Balance einfach nicht ganz stimmt. Negative Gefühle, wie Angst können nicht mehr so gut reguliert werden. Unangenehme Aufgaben werden geschoben, da die Angst vorherrscht, dass wir etwas falsch machen könnten.

 

Neben diesen physiologischen Aspekten, kann aber auch Erziehung eine wichtige Rolle spielen. Wenn wir als Kinder früh lernen, auch mal unangenehme Aufgaben zu erfüllen werden wir sie vermutlich als Erwachsene weniger aufschieben.  

 

Es hat also oft auch nichts mit "Faulheit", "Trägheit" oder "Feigheit" zu tun, wie es sich viele Betroffene oft anhören müssen.

 

Aufschieben kann zum Problem werden

Für Menschen, die häufig aufschieben, kann es Im Alltag zu beruflichen und persönlichen Konsequenzen kommen. Wenn Termine nicht gehalten werden, gibt’s irgendwann Ärger. Sei es als Angestellter, da man nicht zuverlässig liefert oder als Selbständiger, weil hier die Kunden nicht mehr zufrieden sind. In beiden Fällen kann es im schlimmsten Fall auch an die Existenz gehen.

Prokrastination kann darüber hinaus auch zu körperlichen und psychischen Beschwerden führen. Ganz vorne mit dabei sind Muskelverspannungen, Herz- und Kreislaufprobleme sowie Schlafstörungen, innere Unruhe, Anspannung, Druckgefühl, Angst und Hilflosigkeit.

Betroffene stressen sich auf andere Weise, denn sie ärgern sich über sich selbst. Darüber, dass die Aufgabe immer noch nicht erledigt ist. Sie werden unzufriedener,    fühlen sich schuldig und werten sich selbst ab – und dies ist ein Teufelskreis.  

 

Möglichkeiten, der Prokrastination entgegenzuwirken

Wie in den meisten Fällen, ist der erste Schritt zur Besserung: Bewusst werden, dass es so ist! Erst wenn wir erkennen, dass wir uns in der „Aufschiebe-Falle“ befinden, können wir Wege suchen, um wieder herauszukommen.

  • Ursache finden

Es gibt Aufgaben, die wir schlicht nicht mögen, weil sie langweilig sind oder sie uns vermeintlich nichts bringen. 

Und es gibt Aufgaben, bei denen wir nicht wissen, wie wir überhaupt beginnen sollen -  weil der Berg so groß scheint oder uns Wissen fehlt.  Diese beiden Arten von Aufgaben werden am Häufigsten geschoben. Ein erster Schritt kann daher schonmal sein, herauszufinden, warum wir die Aufgabe schieben.

  • Aufgaben „zerkleinern“

Sobald wir sehen, dass eine unliebsame Aufgabe zur zweiten Kategorie gehört – sie einfach zu groß scheint - können wir sie in kleinere Aufgaben aufteilen. Jede dieser Teilaufgaben ist damit eine Aufgabe mit eigenem Timing. So sind Fortschritte schneller sichtbar, Ziele auch schneller und einfacher erreichbar und die Aufgabe scheint uns damit wieder machbar.

  • Einfache Aufgaben vorziehen

Wenn unsere To-Do-Liste gefühlte 300 Meter lang ist, kommt man nicht drum herum, seine Aufgaben aufgrund Umfang und Inhalt zu kategorisieren. Einfache Aufgaben, die schnell erledigt werden können, sollten direkt weggearbeitet werden. Das hat zum einen den Vorteil, dass das Arbeitsgedächtnis leerer wird, zum anderen sind wir motivierter, denn viele kleine Aufgaben können nun von der Liste gestrichen werden. Hat damit einen psychologischen Effekt

  • Goodies für Erledigtes

Wir Menschen lieben Belohnungen. Warum sollten wir uns dann nicht für jede kleine Aufgabe auf unserer To-Do-Liste belohnen? Mit einer neuen Folge der Lieblingsserie oder einem Kaffee mit der besten Freundin. Das hilft, neue Ziele nachhaltig anzugehen und in die Aufgabe zu integrieren.

 

Alles mit der Zeit

Wir alle schieben ganz gerne mal Aufgaben vor uns her. Wichtig ist hier jedoch, zu erkennen, ob wir dies vielleicht ständig tun und damit unsere Lebensqualität einschränken. Ist dies der Fall, können wir versuchen, mit kleinen Schritten aus dem Kreislauf auszusteigen. Und wenn uns das nicht alleine gelingt, können wir um Hilfe bitten. Im Team, mit Freunden oder dem Partner gelingt es oft schneller, einfacher und wir gewinnen wieder Boden unter den Füßen. Manchmal sieht man ja bekanntlich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.  

Alles mit der Zeit. Kein Meister ist bisher vom Himmel gefallen.  

 

Und: auch wenn Aufschieben negative Folgen mit sich zieht, kann ein Vertagen durchaus auch seine Berechtigung haben. Wer Dinge nicht sofort erledigt, sondern auch mal aufschiebt, hat die Chance, tiefer in die Materie einzudringen. Gerade wenn wir konzeptionell arbeiten, kann es durchaus sinnvoll sein, ein paar Nächte drüber zu schlafen. Durch Loslassen kommen oft die kreativsten Ansätze. Die erste Idee ist bekanntlich nicht immer die beste.  

 

Daher: sind wir mal nicht so streng mit uns selbst;-)    

 

 

Foto:

Pedro Da Silva via Unsplash         

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